"Hie kann nicht sein ein böser Mut,
Wo da singen Gesellen gut,... "
(Aus "Frau Musica", 1543, Martin Luther)
"Senora, donde hay musica, no puede haber cosa mala."
(Gnädige Frau, wo Musik ist, da kann nichts Böses sein.)
(Aus "Don Quijote", 1615, Miguel de Cervantes)
"Wo man singet, lass dich ruhig nieder,
Ohne Furcht, was man im Lande glaubt;
Wo man singet, wird kein Mensch beraubt;
Bösewichter haben keine Lieder."
(Aus "Die Gesänge", 1804, Johann Gottfried Seume)
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Im Volksmund umgewandelt in:
"Wo man singt, da lass dich ruhig nieder;
Böse Menschen haben keine Lieder."
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Wir haben das ständig auf den Musikfreizeiten gesungen. Gesummt, gesungen, gegrölt, und auch im Chor, konzertreif und mehrstimmig. Das war fast so ein bisschen wie unser Motto, die Hymne, die Kennmelodie für die Freizeiten. Ich muss zugeben, schon damals habe ich den Text etwas dumm und sehr naiv gefunden…
Natürlich singen nicht nur die lieben und netten Menschen. Alle politischen Organisationen, jede Soldateska, jede Gruppe Hooligans und alle anderen, grösseren oder kleineren Gruppen mit verminderter oder nicht existierender sozialer Kompetenz und Akzeptanz, haben ihre Gesänge, ihre Lieder und Hymnen.
Meistens ist das kein Problem, weil ihre Lieder leicht zu erkennen sind – am Text und an der Musik, von der Vortragsweise gar nicht zu reden. Und wenn dem nicht so ist?:
Ich bin ein „folk music“ und „world music“ Fan und der Meinung, dass das heutige, kulturelle „cross-over“ Phänomen, nicht nur in der Musik, sondern generell, hauptsächlich Vorteile mit sich bringt. Man sollte meinen, dass die, die sich in dieser Musikszene aufhalten, vorurteilsfreie, aufgeschlossene Menschen sind, oder ist das nur die vorhin angesprochene Naivität?
Gestern hat es mich auf jeden Fall ordentlich getroffen und fast umgehaut: Vor einiger Zeit hat mir jemand, in einem Gespräch über folk music, irish folk, die Pogues, etc., eine Band namens „Dropkick Murphy“ empfohlen. Ich hab den Namen wo auf einen Zettel gekritzelt und nicht mehr daran gedacht. Gestern hab ich den Zettel wiedergefunden und mir mit „lime wire“ ein paar songs geholt. Super! Ein paar traditionals, wie „Rocky Road to Dublin“, „Amazing Grace“, oder „A Pub with no Beer“ und ein paar Eigenkompositionen. Gut gespielter Folk, mit Dudelsack, tinwhistle und anderen traditionellen Instrumenten, aber auch punkig mit Schlagzeug, Bass und E-Gitarre, ein guter Sänger, eine gute Band. Da hol ich mir doch gleich noch mehr davon!
Dann hab ich ein paar Live-aufnahmen erwischt. „...all the Skinheads in the house...“, „...Oi, Oi, Oi...“, „...white riot...“, etc. Ich wollte es zuerst nicht glauben. Die verarschen sicher nur den Rechtsextremismus, oder? „Dropkick Murphys“ gegoogled. Auf ihre site gegangen. Nichts Verdacht erregendes auf den ersten Blick. Die Band ist aus Boston. Das Bandfoto. Ja, einer hat eine Glatze, ein paar tatoos, aber das alleine sagt doch noch nichts aus. Discographie. Ja, ein paar Titel, ein paar cover, die man „falsch“ interpretieren könnte, aber die Iren sind ja immer sehr nationalbewusst, das alleine sagt doch noch nichts aus. Live Fotos. Publikum im altbekannten Neo-nazi-look... Die links. Es bleiben keine Zweifel offen...
Ich muss sagen ich war ziemlich geschockt. Vorallem, weil ich es fast nicht bemerkt hätte. Schon fast ein Fan geworden war und bald sogar noch Werbung für die Band gemacht hätte. Vorallem, weil bei den links noch einige andere rechtsorientierte Folkbands dabei waren. Vorallem, weil einige dieser Bands „unerkannt“ in Europa Konzerte geben und auf Folkfestivals auftreten. Vorallem, weil man sich fühlt als ob es keine Garantien mehr gäbe. Ein Langhaariger muss kein Hippie sein, ein Bärtiger kein Terrorist, ein Glatzerter hat eine farbige Frau und Kinder, ein Schwarzer ist der ärgste Rassist,... ...die Welt steht Kopf. Dabei wusste ich das doch schon lange! Erst vor ein paar Wochen habe ich mir in London ein T-Shirt gekauft auf dem steht: Don’t panic – I’m islamic. Kommt wirklich gut an mir, blond und blau-äugig wie ich bin!
Wieviele Volkslieder aus dem deutschsprachigen Raum „darf“ man nicht mehr singen, weil sie zu einem gewissen geschichtlichen Zeitpunkt missbraucht wurden?
Die Musik gehört dem Volk. Und das blöde Volk singt eben auch. Da kann man leider wenig dagegen tun. Man muss nur aufpassen wo man mitsingt und seinen Kindern die richtigen Lieder lernen. Dann müssen alle laut singen, um die anderen zu übertönen.